Zwischen Ego und Erkenntnis
Klaus P. Horn. connection, 15.07.2008.
Rainer Langhans erzählt sein Leben und als eine der Symbolfiguren der 68er Szene damit vielleicht für manche, die vom Strudel dieser Zeitströmung erfasst waren, in gewisser Weise auch ihres.
Sein Titel »Ich bin’s« zwinkert nett und kokett zwischen Ego und Erkenntnis und so schillert auch das Buch zwischen Wagnis und Plauderei, Tiefe und Tratsch – ein männlich-weibliches Unternehmen eben. Genau das ist sein großes, politisch-privates Thema. Den Vorspann bilden schön erzählte Episoden einer Kriegs- und Nachkriegskindheit in Ost und West. Mit einer langen Pubertät beginnen dann Annäherung und Auseinandersetzung mit dem ewig Weiblichen in schüchternen, schwärmerisch verklemmten Liebesgeschichten wie sie für die 50er und frühen 60er Jahre typisch waren.
Es folgt sein Kampf, die Geschichte eines Frontkämpfers beim Sturmangriff auf die inneren Bastionen der bürgerlichen Erziehung. Angst und Mut, Wut und Stolz fehlen da ebenso wenig wie Sex, Drogen und Crime. Und natürlich das Namedropping, das die Öffentlichkeit von ihm erwartet: mit entsprechender APO, Pop- und Filmprominenz der 60er und 70er kann er aufwarten. Interessant, ja, aber es geht ihm um mehr: um nicht weniger als Befreiung von menschlichem Leid und irdischer Schwere. Es ist nicht die Hoffnung auf bessere nachrevolutionäre Umstände, wie sie APO und RAF erträumen, die ihn treibt.
Bewusstseinsarbeit
Nein, durch innere Revolution, Veränderung der menschlichen Verfassung sucht er das große Ziel zu erreichen. Sexpol war das Zauberwort der Szene damals, also Politisierung des Privaten, Bewusstseinsarbeit an Sexualität, Beziehung, Familie und allmähliche innere Vervollständigung durch die andere Hälfte. Damit findet er wenig Verständnis bei seinen K1 Genossen, die sich im heldenhaften Kampf gegen die herrschende männliche Konkurrenz beweisen möchten. Der Autor aber sieht sein weibliches Gegenüber als Tor zur Freiheit. Sie ist die Gefängniswärterin, die verheißungsvoll mit dem Schlüsselbund rasselt. Denn: »Vor dem Meister steht die Frau«. Weg will er mit ihr, raus aus dem Körper ins freie Schweben, das die Drogen nur erahnen lassen. Aber will sie das auch? Eher nicht. Wo ist schließlich weg? Also endet, nach dem Scheitern der Kommune, auch dieser Traum.
Als somit auch die sehnsüchtige Verklärung des Weiblichen mit dem Ende seiner Beziehung in die Sackgasse führt, vollzieht er die Kehrtwendung: Rechtsum zurück zum Männlichen. Entsagung und Askese, Befehl und Gehorsam, das kannte er schon von seinen ersten Männer-Kommunen, dem christlichen Internat und der Bundeswehr. Nun folgt der harte Guru, der Sikh aus jenem Punjab-Ethno, der traditionell das Spirituelle mit dem Militärischen vereint: Schluß mit dem Lotterleben, fordert der, Zucht und Ordnung sowie Zurückzahlung karmischer Schulden, woraufhin der Autor gehorsam und kurzgeschoren in die Besenkammer seiner WG zieht, Schulden abstottert und das Karma obdachlos gewordener Besen auf sich lädt.
Der Weg zum Weiblichen
Den Weg zurück zum Weiblichen schlägt er erst spät und mit asketischer Rückversicherung wieder ein, so wie es mancher indischen Entsagungstradition entspricht. Gandhi etwa begann mit Tantra erst auf dem Sterbebett. Langhans beginnt nun ein bemerkenswertes Experiment, das unter dem missverständlichen Titel »Harem« eine zweifelhafte Popularität erlangt. Er lebt mit mehreren Frauen und bemüht sich, mit und von ihnen zu lernen, sich »als Mann zu emanzipieren«. Wie das funktioniert? Nur in dem sie sich alle gemeinsam auf ein Drittes, «das Geistige« orientieren. Denn der Autor sieht sich als Schüler, nicht als Lehrer. Allerdings klingt durch, dass »seine« Frauen sich so einfach nicht davon abhalten lassen und ihren Mann in Weiß eben doch als Guru beanspruchen.
Verständlich, wenn er doch für sie die Freiheit von der »Macht der Hüfte« repräsentiert. Nun nimmt diese ja mit fortschreitendem Alter ohnehin beidseitig ab. Doch wenn sich Erwartungen auf einen »Weißen Riesen« bündeln, dass der Intensivwaschgang mit ihm inneren Glanz hervorbringen möge, bleibt unweigerlich ein Grauschleier, denn »keiner wäscht Rainer«. Wegen seiner Haltung zum Weiblichen ist männlicher Spott diesen Memoiren so sicher wie weibliche Glorifizierung. Was ist schwerer zu ertragen? Nicht nur blind- bis schießwütige alten KameradInnen, auch die prominenten Damen und Herren aus der Medienwelt äußern sich bislang eher herablassend.
Nur Verlierer können gewinnen
Ein Fazit des Autors wird dagegen gern zitiert: »Wir haben gewonnen.« Wie wahr, denn nur Verlierer können dieses Spiel gewinnen, diejenigen also, die bereit sind, den Preis in der alten Währung zu zahlen: Blut, Schweiß und Tränen. Und bezahlen hat er wohl müssen. Als »Verräter« einer Befreiungsarmee von Rechtgläubigen und Richtigwissenden hat er Verletzungen davon getragen. Tiefer allerdings scheinen die Schnitte seiner Göttin zu sitzen.
Gibt es eine bewusste Aufarbeitung? Zumindest erfahren die Leser nichts darüber. Auch die Wunden werden nur indirekt sichtbar wie in jenem kleinen Ereignis, das dem Autor in seiner chronologischen Biografie einen singulären Platz wert ist: Die Verleihung des Titels »Eso-Faschist« durch eine prominente Grüne.
Die Kommune lässt ihn nicht los. Und so entwickelt er zum Schluss noch eine Vision für ein anderes Altern statt Jugendwahn, gewissermaßen eine Kommune der dritten Halbzeit. Jung werden, nicht jung bleiben, wenn man alt ist, heißt für ihn bereit sein zu »sterben, statt nicht sterben zu wollen«.
174 Seiten (plus 67 Seiten Anhang) sind nicht viel für eine Biografie, und so wird vieles nur gestreift und an manchen interessanten Punkten wirkt der Text wie zusammengekürzt. Schade. Trotzdem: Ein mutiges und berührendes Buch.