Biographie: Christa Ritter
Christa Ritter ist seit Ende der 70er Jahre Teil der weiblichen Kommune "Harem". Art Buyer, Agentin für Fotografen, Journalistin, Filme Macherin, Verlegerin, Digital Content Creator.
Christa's Weg nach innen
Meine Großnichte: Stimmt es, dass du nie eine Puppe hattest? Ich wurde im Krieg in Berlin in eine bürgerliche Kleinfamilie als Vatertochter geboren. Sei nie von einem Mann abhängig, lautete Vaters Rat. Die enge Welt der Frauen zog mich daher nicht an: Ich würde mich in die Welt aufmachen und Größeres versuchen. Kurze Zeit hat mich die DDR gefördert, dann zogen wir in die miefige BRD des Wirtschaftswunders in Düsseldorf. Hier kamen nur brave Mädchen in den Himmel und ich verließ das katholische Mädchengymnasium noch vor dem Abitur. Ein Schock.
Was nun? Meine selbstbezogene Eroberungslust oder „Arroganz“ hatte einen Dämpfer zu verkraften und ich verschwand gemäß Vaters Connections beleidigt in einem Sprachenstudium in London, danach in einer Verlagslehre in München. Bis sich 68 die Welt veränderte: All you need is love. Ich traute mir plötzlich alles zu und bewarb mich im Hotspot der Werbung. Wir waren in dieser Agentur eine kreative Family von Freunden und tanzten durch die Kampagnen. Wenn ich nach außen „strahlte“, meinte ich mich als androgynes Wesen, schöne Arbeit und schöne Beziehungen. Was nun? Meine selbstbezogene Eroberungslust oder „Arroganz“ hatte einen Dämpfer zu verkraften und ich verschwand gemäß Vaters Connections beleidigt in einem Sprachenstudium in London, danach in einer Verlagslehre in München. Bis sich 68 die Welt veränderte: All you need is love. Ich traute mir plötzlich alles zu und bewarb mich im Hotspot der Werbung. Wir waren in dieser Agentur eine kreative Family von Freunden und tanzten durch die Kampagnen. Wenn ich nach außen „strahlte“, meinte ich mich als androgynes Wesen, schöne Arbeit und schöne Beziehungen.
Langsam tauchten hinter meiner schillernden Fassade Zweifel auf. Die Tür zur „Gleichberechtigung“ war wieder zugefallen. Von der Frauenbewegung übernahm ich: It’s a man’s world, Männer unterdrücken, zurück an den Herd, ich bin ihr Opfer. Diese Kränkung als „Nein“ rumorte hinter meinem Lächeln einer zunehmenden Depression: berufliche Selbständigkeit, privat WG-Versuch, Drogen, Therapie, Abtreibungen, Meditation. Warum fühlte sich alles nur so halbherzig an?
Ich entschied mich, mir mit Kunst näher zu kommen. Deshalb zog ich in die Filmhauptstadt München, um das Filmemachen zu lernen. Bei einem Dreh traf ich Rainer Langhans, einen ernsten, stillen Sucher. Ich ahnte, er verkörpert etwas, das ich nicht kannte. Bald hatten wir lange Gespräche: Ich sei oberflächlich, ein ängstlicher kleiner Junge, mir völlig unbewusst meiner eigenen Gewalt. Irgendwie spürte ich, dass Rainer recht haben könnte und entschied: Keine Filmkunst, kein Oscar, ich würde meine mir so fremde Seite des Inneren erforschen.
Um Rainer hatte sich schon eine Gruppe Frauen gebildet, die sich während gemeinsamer Sessions gnadenlos ehrlich dem eigenen „Schatten“ zu öffnen wagte, gegen immer wieder heftigstes Geschrei. Wir begannen damit, die verdeckte Gewalt von uns Frauen aus den Kellern zu zerren: Besitzwahn, Eifersucht, Intrige, die unsichtbare weibliche Macht waren unser Faschismus. Sich hinter dem Üblichen der netten Frau an seiner Seite als brutale Täterin zu entdecken, hat uns als Höllenfahrt phasenweise sogar begeistert. Aber nur mit Hilfe unseres angstfreien Kommunarden, fanden wir immer wieder dahinter den Ausgang.
Als Vatertochter würde ich mich und meine mörderische Gewalt in Projekten abholen, nicht wie die Frauen im Mütterlichen oder als Geliebte. Statt also gleichberechtigt endlich auch als Frau mal den Oscar zu gewinnen, würde ich aus diesem Traum der großartigen Mittäterin aussteigen und mich „spirituell“ gewinnen, indem ich das Scheitern übe. Du Loser, schrie mein Vater. Von außen nach innen. Für diese „abgründige“ Reise erkor ich mir Rainers Beistand aus, so dass die Frauen mich oft als „seinen Lautsprecher“ verspotteten. Ich würde als Rainers Sekretärin starten, denn er gab nicht nur den kreativen Ton an, er spiegelte vor allem im Widerstand meine Menschen- und Weltverachtung, dieses Nein. Das kleine böse Kind wollte grenzenlos geliebt werden, aber nichts dafür geben. Ich schrie gegen dieses Scheitern an, wir diskutierten, ich stieg keifend aus und wieder ein: Anfangs in den jungen Journalismus, es folgten TV-Dokus, dann die Organisation von Events und, als das Internet aufkam, sogar der Versuch der Politik in der Piratenpartei.
In der Rolle der Sekretärin lag eine furchtbare Kränkung und Sabotage folgte oft auf den Fuß. Dann haute ich drauf, weil Unterwerfung mir völlig unbekannt war, mir das „Weibliche“ fehlte, dieses Emotionalere, Feinstoffliche, das ich ebenso im häufigen Rückzug in die Stille zwischen den Projekten suchte. Ich will gefeiert und berühmt werden, protestierte es in Endlosschleife. Dem Projekt zu dienen, damit meinem Inneren, provozierte immerhin manchmal auch Freude, danach umso mehr Abwehr, sogar Hass, um mich wieder mühsam mit Hilfe von Rainer, oft auch der Frauen, zu „besinnen“. Ja, es ging in diesen Kämpfen um ein mühsames, Jahrzehnte langes Scheitern aus meiner Gewalt und einem penetranten Nein zu allem und jedem in etwas „Weibliches“ als meine innere Seite, um den Sinn meines Lebens. Ein Traum: Ich bin schwanger und mein Vater empört sich entsetzt.
Nur mit sehr viel Widerstand und sehr langsam bin ich also auf einer Reise, mein fettes kindliches Jungen-Ego zu schmelzen, mich dabei von frauenbewegter Gleichberechtigung oder sogar Oscarkrönung als Sackgasse einer kaputten, sich längst wandelnden Gesellschaft zu verabschieden. Und falle nach wie vor immer mal wieder ins schwarze Loch: Ich habe nichts erreicht! Es ist dann wohl die Große Mutter als Darstellerin eines in meinen Knochen scheinbar unverrückbaren Materialismus, die mich nicht aus ihren Klauen frei gibt. Rainer lächelt dann: Mehr Meditation, der Verstand ist blöd. Der nächst-nötige Schritt? Als Extravertierte draußen in der Welt dieses erlebte „Ja“ anzubieten, es Schritt um Schritt auszuprobieren, ihm zu dienen, statt mit meinem veralteten „Nein“ immer wieder in die Depression zu rutschen. Also: Weiter Scheitern, mit guter Laune. Zum Beispiel das Buch über „Kommune“ schreiben. Weiter!
Styx: die Reise beginnt
von Christa Ritter
„Da kann man ja nur hoffen, dass Christa einfach immer weiter schreibt. Auch über die Stutenbissigkeit – denn das Palavern und Krakeelen ist ja das allerschönste rauchige Gewürz dieser Reiseerzählung. Satzweise erinnert das sogar an die großen Reiseerzähler des 19. Jahrhunderts und ihre doch viel mehr materialistischen Entbehrungen. Christa ist begeistert wie ein Kind: Aber auch so traurig, wie es wohl alle Alten auf der Welt sein können, wenn schon der Morgen graut, aber die Party des Lebens gerade so satt und kräftig glüht und doch bitte schön einfach immer nur weiterlaufen soll.“Und um es vorweg zu sagen, Christa Ritter, die E-Mails schon mal mit „von der Herbergsmutter“ beendet, hat sich bei mir Zeile für Zeile ihres E-Books mehr in eine auf das Leben neugierige, junge Frau verwandelt. Die Wahlmünchnerin und Filmemacherin erfüllt damit alle Erwartungen, die sie mit ihrem online-veröffentlichten Live-Tagebuch schon während der Indienreise geweckt hat. Alexander Wallasch in "The European"